Kinder sollten schwimmen lernen.
Die Sommersaison ist eingeläutet, Badeseen und Schwimmbäder füllen sich. Kaum ein Garten ist noch ohne Pool. Stattfindende Schwimmkurse- Mangelware. Einer der unschönen Nebeneffekte der Pandemie- und ein ernstzunehmendes Risiko.
Laut Deutschem Olympischen Sportverbund sind Kinder und Jugendliche besonders von Ertrinkungsunfällen betroffen. 2020 kamen 18 Kinder im Vorschul- und 5 im Grundschulalter ums Leben. Der DLRG-Präsident spricht von einer zurückgegangenen Schwimmfertigkeit bei Kindern als Ursache und die Situation wurde durch geschlossene Bäder und ausgefallenen Schwimmunterricht im Corona-Jahr noch verschlimmert….
Ich selbst würde mich eigentlich nicht als Helikopter-Elternteil bezeichnen. Allerdings haben mich spezielle Situationen schon immer getriggert- so auch das Planschen meiner Kinder im Pool, im Schwimmbad- oder ganz besonders schlimm- im Badesee. Ich möchte hier keinesfalls falsch verstanden werden: Badespaß, Schwimmen und Toben im Wasser gehört unbedingt zu jeder Kindheit dazu! Allerdings bin ich selbst doch das ein oder andere Mal vor den Kopf gestoßen, wenn ich mitunter Kleinkinder ohne Schwimmhilfe in privaten Pools oder Nichtschimmerbecken beobachte. Nicht nur einmal höre ich mich schon panisch rufen: “Achtung, das Kind geht unter”. Zugegeben, die meisten Male würde (Gottseidank) die Antwort des verdutzten Elternteils vermutlich so lauten: ” ÄH nein, der doch taucht nur, er ist halt einfach eine Wasserratte.” Achso, ups. Aber wusstet Ihr, dass 10 % der Erwachsenen tatsächlich nicht den Ernst der Lage erkennen und 50 % der Kinder ertrinken, während die Eltern in der Nähe sind?
Ich möchte gern eine Geschichte mit Euch teilen. Mein persönliches Schockszenario aus dem letzten Jahr. Aus eigener Erfahrung kann ich Euch nun sagen, Schwimmhilfen sind hilfreich, um unseren Kindern eine gewisse Sicherheit zu geben- und uns Eltern, besonders Mehrfacheltern, die in der Regel keine 4-6 Arme, Beine und Augen gleichzeitig haben. Aber sie schützen eben nicht vor dem Ertrinken- und manchmal bringen sie das Kind sogar in eine extrem gefährliche Situation.
Ich habe mich lange mit diversen Schwimmhilfen befasst, wir haben fast alles was “Rang und Namen hat” zuhause. Unsere Mittlere war zu diesem Zeitpunkt 1,5 Jahre. Da sie sehr (sehr sehr) ungern Schwimmflügel anzog, hatten wir sie mit einer Schwimmweste ausgestattet. Sie hatte sich in einer Millisekunde ans Wasser gewöhnt und, während wir (2 Eltern im Pool!!!) uns an die eiskalte Wassertemperatur herantasten mussten, planschte sie fröhlich vor sich hin. Gerade hatte sie also noch ein fröhliches Quicken von sich gegeben, einen Moment später- ich hatte wohlgemerkt meine Hand an ihrem Körper und schaute nur kurz rüber zum Rest der Familie- schwamm sie dann bäuchlings in ihrer Schwimmweste mit dem Kopf vornüber im Wasser neben mir.
Es ist nichts passiert. Ich habe sie rausgezogen, war geschockt, sie hat gehustet, war erschrocken und das wars. Ein paar Schrecksekunden und einige Gluckser später schwamm sie fröhlich im Arm von Papa weiter. Und ich? Ich habe die Schwimmweste weit weg gepackt und abends erstmal die Begriffe “Ertrinken, Kleinkind” gegoogelt.
Das war vergleichsweise ein harmloses Szenario, aber es hat sich in meiner Erinnerung eingebrannt und ich war tatsächlich noch Tage später sensibilsiert für diverse Folgesymptome, die auf ein “sekundäres Ertrinken” hindeuteten können. Denn, die Gefahrensituation ist das eine, mögliche Spätreaktionen das Andere.
Was ist die Gefahr beim Ertrinken von Kindern?
Sehr kleine Kinder ertrinken still. Sie können sich in den allermeisten Fällen nicht bermerkbar machen. Die Kleinsten “erstarren” regelrecht und gehen sofort unter. Kinder, die noch nicht schwimmen können, sind beim Abwehrkampf im Wasser nicht in der Lage, Mund und Nase über Wasser zu halten. Bei Kindern im Vorschulalter kann es zum sogenannten Eintauchreflex kommen. Es ensteht ein Stimmritzenkrampf und in Folge ein Sauerstoffmangel. Dieser Vorgang ist dem ein oder anderen vielleicht schon unter dem Begriff “trockenes Ertrinken” bekannt.
Unter “sekundärem Ertrinken” versteht man die Beschwerden, die nach einem Wasserunfall auftreten können. Dies passiert sehr selten, der Begriff ist wohl auch schon überholt, weil er durchaus ja suggeriert, dass es vorher zum beinahe Ertrinken gekommen ist. Fakt ist jedoch, dass es durchaus hin und wieder einmal vorgekommen ist, dass bei Kindern in den Stunden bzw. Tagen nach einem Zwischenfall mit Wasser, bei dem sie Wasser eingeatmet hatten, Entzündungsreaktionen und Ödeme hervorgerufen wurden- durch die Flüssigkeit, die beim “Wasserschlucken” in die Lunge gelangt war. Die große Gefahr ist, dass Kinder am Sauerstoffmangel ersticken, eine Lungenentzündung bekommen etc., obwohl sie beim “Badenunfall” vermeintlich Glück im Unglück hatten.
Wie schon erwähnt, sind diese Komplikationen sehr, sehr selten (beim “normalen Wasserschlucken” im Pool oder Schwimmbecken passiert so etwas nicht) , ABER man sollte unbedingt sein Kind beim Arzt vorstellen, wenn:
-es plötzlich wieder stark hustet, über Brustschmerzen klagt, erbricht, Schwierigkeiten beim Atem hat oder apatisch wirkt.
Was tun, wenn doch etwas passiert?
Aufpassen, aufpassen, AUFPASSEN lautet die Devise. Und dennoch kann immer etwas passieren. Außerdem braucht es bekanntlich weder ein tiefes Schwimmbecken, noch den Badesee. Auch in der Badewanne, im Gartenteich oder in einer Pfütze können Kinder ertrinken.
Ich wünsche uns allen, dass wir niemals in die Lage kommen, Erste Hilfe an unserem Kind leisten zu müssen, aber wenn doch, sollten wir wissen, was zu tun ist. Ein Erste-Hilfe-Kurs ist die absolut beste Vorbereitung. Mittlerweile gibt es tolle Online-Formate und Videos zur Reanimation von Babies und Kindern.
Wer noch keinen gemacht hat, der sollte sich unbedingt die Zeit dafür nehmen. Bis dahin habt Folgendes schon einmal im Hinterkopf zu haben:
- Nach einem Badeunfall: Baby/ Kind hinlegen, wenn möglich in eine Decke wickeln und das Bewusstsein und die Atmung überprüfen. Es gilt Hören-Fühlen-Sehen, maximal 10 Sekunden. (Ihr haltet Eurer Ohr ganz nah an Nase und Mund des Kindes und beobachtet dabei den Brustkorb). Ist keine Atmung vorhanden, beginnt Ihr SOFORT mit der Reanimation:
- 5 Atemspenden, 1 Minute Herzdruckmassage- dann erst Notruf absetzten und danach unverzüglich mit der Reanimation weitermachen. (Rhytmus: 2 Atemspenden wenn möglich, 30x Herzdruckmassage)
- Good to know: Bei Babys unter einem Jahr nutzt Ihr für die Herzdruckmassage 2 Finger, bei Kindern ab einem Jahr eine bzw. beide Hände. Ihr drückt 30 x mit einer Frequenz von 100 bis 120 x /Minute. Mein Reminder hierzu ist der Beat von ” Biene Maja”, manch anderen hilft es vielleicht eher, den Rhytmus von “Yellow Submarine” als Ohrwurm zu haben.
Damit es gar nicht erst zu einer Notsituation kommt, sollten wir Eltern für die Gefahr sensibilisiert sein. Ich persönlich bin immer froh, wenn unsere Kids sich dazu entscheiden, dass unser Pool für den Badespaß ausreicht und mir ein Schwimmbad- oder gar Badeseetag erspart bleibt. Das ist mir auch so schon Gaudi genug. Denn selbst im Pool gerate ich oft an meine physischen Grenzen, zum Beispiel dann, wenn die Große den Tauchgang üben, die Kleine partout im Wasser planschen und der Minimann gewickelt werden will. Mittlerweile haben wir uns ganz gut eingegroovt, unsere Regeln sind bekannt und teilweise schaffe ich es sogar, den Junior am Beckenrand blind zu wickeln, während meine Augen beharrlich die Mittlere fixieren und ich quasi allzeit “absprungbereit” bin. ABER ganz ehrlich: Eine durchgängige Fokussierung auf alle Kinder gleichzeitig ist schier unmöglich. Gottseidank bekommen wir oft Besuch, sodass wir uns die Aufsichtspflicht unter den Erwachsenen aufteilen können. Trotzdem werde ich wohl 3 Kreuze machen, wenn alle Kinder sicher schwimmen können.
Um nochmal an mein Horrorszenario von letztem Sommer zu erinnern: Die Schwimmweste ist übrigens dieses Saison wieder im Einsatz. Aber- entgegen der Sicherheitshinweise und Produktangaben- kann ich sie nach bestem Wissen und Gewissen aber erst ab einem Altern von etwa 2,5 Jahren empfehlen (und die Eltern sollten vorher ausprobieren, wie sich das Kind in der Weste drehen kann). Vorher wäre mir wohl die Gefahr zu groß, dass das Kind das Gleichgewicht verliert und sich aus eigener Kraft nicht wieder aufrichten kann.
Generell gern genutzt werden auch die Schwimmflügel von Flipper Swimmsafe. Obwohl Experten von Schwimmflügeln eher abraten. Wenn Schwimmhilfen, sollten es wohl Beckengurte sein, allerdings hatten wir mit den Schwimmflügeln von Flipper das beste Auftriebsergebnis und sie geben unseren Kids Sicherheit. Bei der Wahl von Schwimmhilfen lege ich Euch generell dringend ans Herz, unbedingt nach Anatomie, Größe und Gewicht Eures Kindes auszuwählen. Außerdem solltet Ihr überlegen, was die individuellen Vorlieben sind und welchen Zweck die Schimmhilfen erfüllen sollen. Tolle Schwimmhilfen für aktive Schwimmer, vor allem für Schwimmanfänger sind @Schlori Schwimmkissen. Wir haben sie leider zu spät entdeckt, daher nutzt unsere Große sie erst, seit sie schwimmen lernt. Die Schloris sind super nachhaltig, da aus Baumwolle und schadstofffrei und total bequem. Sie sind auch schon zur Wassergewöhnung geeignet, daher werden wir nach und nach unsere Kunststoff-Schwimmflügel ausrangieren.
Schwimmkurs- ein MUSS ?!?
Der beste und EINZIGE Schutz ist es, dass Kinder so früh wie möglich schwimmen lernen.
Leider hat die Pandemiesituation auch die Schwimmkurse auf Eis gelegt. Nach und nach wird der Betrieb zwar wieder hochgefahren, allerdings sind die Wartelisten sowieso schon endlos lang und nicht jede Schwimmschule hat die Kapazitäten, das notwendige Mehr an Kursen in naher Zukunft aufzufangen.
Wir haben unsere Kinder immer früh spielerisch an das Wasser gewöhnt. Als unsere große Tochter im letzten Frühjahr mehrfach erwähnt hat, sie wolle jetzt “endlich mal schwimmen” lernen, empfanden wir das als unser “Go”, um uns auf die Suche nach einem für sie geeigneten Schwimmkurs zu machen. Letztendlich hat bei uns ein geographischer Außenseiter das Rennen gemacht, denn obwohl das Schwimmbad um die Ecke durchaus verschiedene privaten Schwimmschulen beherbergt, fahren wir lieber in ein 30-Minuten-entferntes Dörfchen.
Wir sind in einer kleinen, feinen privaten Schwimmschule und ich nehme die Odyssee mit all den Kids gern in Kauf, denn wir waren seit der ersten Schnupperstunde hin und weg von der Empathie und der Routine des Schwimmlehrers. Außerdem ist die Schwimmgruppe ganz klein, maximal 5 Kindern pro Training und somit super individuell aufs jeweilige Können der Kinder abgestimmt. Ein weiterer Pluspunkt für uns war die Tatsache, dass es in der Schwimmschule ein fortlaufendes Training gibt und keinen Kurs, der nach 10 Malen endet- mit welchem Ergebnis auch immer.
Falls Ihr gerade über das FÜR und WIDER eines Schwimmkurses nachdenkt, können Euch vielleicht folgende Fakten bei der Entscheidungsfindung helfen:
-Kinder ab 5 Jahren können den mechanischen Schwimmablauf erlernen, vorher machen auf Seepferdchen getrimmte Schwimmkurse weniger Sinn. Im Vordergrund sollte bis zum Alter von 4 Jahren die Wassergewöhnung stehen.
-Brustschwimmen erfordert großes Koordinationsvermögen, natürlich können sich Kinder auch mit simplen Kraul- und Wassertretbewegungen über Wasser halten. Allerdings ist das weit entfernt von “richtig schwimmen können”.
-Sicher Schwimmen können Kinder wenn:
- sie sich unter Wasser genauso gut zurecht finden, wie über Wasser
- sie 15 Minuten am Stück im tiefen Wasser schwimmen können (ohne Hilfestellung)
- auf dem Rücken genauso gut schwimmen können, wie auf dem Bauch
- sich auf dem Wasser treiben lassen können
- nicht an den Rand schwimmen müssen, wenn sie Wasser schlucken
- Sprünge (vom Beckenrand) mit vollständigem Eintauchen ins Wasser beherrschen.
-Wenn Ihr über Zeit, Geduld und das Wissen über die nötige Vorgehensweise verfügt, könnt Ihr Eurem Kind das Schwimmen durchaus selbst beibringen. Eindeutig einfacher ist meiner Meinung nach allerdings die Teilnahme an einem Schwimmkurs- wenn man die Möglichkeit dazu hat. Meist ist der Schwimmlehrer nicht nur fachkompetenter und erfahrener sondern er ist als “fremde Bezugsperson” einfach ein besserer Lehrer.
-Spaß am Schwimmen sollte im Vordergrund stehen. Denn, wer gern schwimmt, beugt Haltungsschäden und Verspannungen vor und kräftigt die Muskulatur. Eine frühe Wassergewöhnung macht den Kindern Lust auf Mee(h)r 🙂 Hierzu gibts übrigens nette Anleitungen auf Youtube, wie zum Beispiel hier.